Wege zum Hörgerät

Empfehlungen für Versicherte zum Vorgehen bei der Hörgeräteversorgung

Eine Versorgung mit Hörhilfen richtet sich nach dem § 33 Sozialgesetzbuch V, der aktuellen Hilfsmittelrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses, der aktuellen Festbetragsgruppensysteme des GKV Spitzenverbandes und den aktuellen Verträgen zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern.

Versicherte haben somit Anspruch auf eine aufzahlungsfreie Versorgung. Zielsetzung der Hörgeräteversorgung ist es,

  1. ein Funktionsdefizit des beidohrigen Hörvermögens unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts möglichst weitgehend auszugleichen und dabei – soweit möglich – ein Sprachverstehen bei Umgebungsgeräuschen und in größeren Personengruppen zu erreichen sowie
  2. die Auswirkungen einer auditiven Kommunikationsbehinderung im gesamten täglichen Leben und damit bei der Befriedigung von allgemeinen Grundbedürfnissen zu beseitigen oder zu mildern.

Was ist zu tun, wenn eine Versorgung mit Hörhilfen erforderlich ist?

  1. Das Wichtigste ist, frühzeitig Hördefizite zu erkennen. Gehen Sie zu einem Hals-Nasen-Ohren-Facharzt, lassen Sie sich untersuchen und beraten. Bei Bedarf stellt Ihnen der Hals-Nasen-Ohren-Arzt die ärztliche Verordnung für eine Hörgeräteversorgung aus.
  2. Wenn Sie Hörhilfen benötigen, gehen Sie zuerst nur mit einer Kopie der Ohrenärztlichen Verordnung zum Hörakustiker Ihrer Wahl und suchen eine Erstberatung. Wenn Sie eine Kopie der Ohrenärztlichen Verordnung vorlegen, haben Sie unkompliziert die Möglichkeit weitere Hörakustiker in Ihrer Nähe aufzusuchen und sich informieren und beraten zu lassen.
  3. Achten Sie auf eine gute Beratung. Besprechen Sie mit dem Hörakustiker, welche Anforderungen die Hörgeräte, vor allem auch im Arbeitsleben, erfüllen müssen. Wenn Sie sich für einen Hörakustiker entschieden haben, geben Sie die Ohrenärztlichen Verordnung ab und beginnen mit der Austestung der verschiedenen Hörgeräte und notieren Sie sich die Besonderheiten, Vor- und Nachteile und Höreindrücke der einzelnen Geräte. Gleichzeitig beantragen Sie bei Ihrer Krankenkasse die Gesamtkostenübernahme für Ihre Hörgeräteversorgung. Weisen Sie darauf hin, dass Sie mit der Austestung begonnen haben und den Kostenvoranschlag nachreichen.
  4. Im Rahmen der Anpassung sind Ihnen vom Hörakustiker laut aktueller Verträge ein bis zwei eigenanteilsfreie (ohne private Zuzahlung) Versorgungsvorschläge mit Hörsystemen (Hörgeräte), die dem aktuellen technischen Standard entsprechen, zu unterbreiten. Diese Geräte müssen zur Versorgung des jeweiligen Hörverlustes geeignet sein. Der Versicherte zahlt dann nur eine gesetzliche Zuzahlung, in der Regel 10,00 EUR, für jedes Hörgerät. Die Austestung der Hörgeräte erfolgt unverbindlich und kostenlos. Testen Sie diese Geräte ernsthaft und lassen Sie dies durch den Hörakustiker dokumentieren und machen Sie sich eigene Notizen. Für den objektiven Vergleich von 2 Hörversorgungen empfiehlt der DSB die Nutzung des APHAB Fragebogens
  5. Nach Abschluss der Testphase, das heißt, wenn Sie sich für ein Gerät entschieden haben, reichen Sie den Kostenvoranschlag des Hörakustikers bei Ihrer Krankenkasse ein.
  6. Warten Sie den Bescheid der Krankenkasse ab.
  7. Sollte Ihre Krankenkasse nur einen Teil der Kosten bewilligen (Festbetrag oder Vertragspreis), legen Sie Widerspruch ein. Weisen Sie die Krankenkasse darauf hin, dass Sie sich die Hörgeräte notfalls selbst beschaffen und die Erstattung der Kosten nachträglich beantragen.
  8. Für das Berufsleben werden oft leistungsfähigere Hörsysteme benötigt. Für hörbehinderte Menschen im Arbeitsleben können die Gesetzliche Rentenversicherung, die Agentur für Arbeit oder bei anerkannter Lärmerkrankung die Gesetzliche Unfallversicherung ein zuständiger Rehabilitationsträger sein. Wir empfehlen den Antrag vor Erwerb von Hörgeräten an Ihre Krankenkasse zu stellen. Sollte diese feststellen, dass weitere Kostenträger dafür zuständig sind, dann gibt sie Ihren Antrag entsprechend weiter.
  9. Wählen sie kein eigenanteilsfreies Hörsystem, beziehungsweise eine Versorgung die über das Maß des Notwendigen und Zweckmäßigen hinausgeht, wird der Hörakustiker Ihnen die erforderlichen Mehrkosten (über dem Festbetrag) in Rechnung stellen. Dieses gilt auch für zukünftige Reparaturkosten.
  10. Wenn Sie beim Hörakustiker eine Erklärung über Mehrkosten unterschreiben müssen, empfehlen wir Ihnen diese durch folgenden Satz handschriftlich zu ergänzen. „Auf Erstattungsansprüche gegenüber meiner Krankenkasse oder ggf. gegenüber anderen Rehabilitationsträgern verzichte ich hiermit nicht!“
  11. Achten Sie darauf, dass der Hörakustiker Sie nicht vorab eine Vereinbarung oder einen Vertrag unterschreiben lässt, in dem geschrieben steht: „Der Kunde verzichtet auf die Erprobung eigenanteilsfreier Hörsysteme und wünscht diesbezüglich kein weiteres Angebot.“ Lassen Sie sich alle von Ihnen unterschriebenen Schriftstücke in Kopie aushändigen.
  12. Eine eigenanteilsfreie Versorgung ist eine Sachleistung der Krankenkassen und kein Zuschuss.

 

Häufig gestellte Fragen zum Hörgerät:

Welche Leistungsmerkmale von Hörgeräten sollte man kennen?

Mit Hilfe von Leistungsmerkmalen lassen sich Hörgeräte vergleichen.

Bei Digitalgeräten (Schall wird in eine Zahlenreihe zerlegt, analysiert und verarbeitet, danach zurückübertragen in Schall und an das Ohr weitergegeben). Der übertragene Bereich kann bei Digitalgeräten in Frequenzbereiche = Kanäle unterteilt werden. Jeder Kanal kann getrennt und unterschiedlich verarbeitet (verstärkt, komprimiert) werden. Auf diese Weise können Hörgeräte sehr individuell eingestellt werden.

Ein wesentliches Leistungsmerkmal eines Hörgeräts ist die größte einstellbare akustische Verstärkung (Power Hörgeräte bis ca. 85 dB).

Digitale Hörgeräte können auch die Verstärkung automatisch regulieren (AGC = Automatic Gain Control), filtern (verschiedene Frequenzbereiche ausschließen, z.B. Tieftonblenden, wenn das Gehör im Tieftonbereich noch gut erhalten ist) und komprimieren („adaptive Kompression“ bietet die Vorteile der Kompression für laute Eingangssignale, ohne die Hörbarkeit von Sprachsignalen zu beeinträchtigen). Auch die Lautstärke des Ausgangssignals kann begrenzt werden, um die individuelle Unbehaglichkeitsschwelle des Benutzers nicht zu überschreiten.

Hörgeräte können mit einem, zwei oder mehreren Mikrofonen ausgestattet sein. Multimikrofontechnik soll das Richtungshören verbessern.

Eine sehr wichtige Anforderung an moderne Hörgeräte ist, das Sprachverstehen insbesondere in geräuschvollen Situationen zu verbessern. Um den Störschall zu unterdrücken, werden Richtmikrofone und Verarbeitungsalgorithmen benutzt, die frequenzabhängig Störschall und Nutzschall trennen. Die automatische Reduzierung von unerwünschten tieffrequenten Störgeräuschen bei steigendem Signalpegel bietet in lauten Umgebungen hohen Hörkomfort, ohne dass manuelle Anpassungen erforderlich sind (ASP-Störgeräuschunterdrückung).

Für typische, immer wiederkehrende Hörsituationen wie z. B. Sprache in Ruhe, Sprache im Störschall, Telefonieren usw. können verschiedene Hörprogramme definiert und im Hörgerät nach den individuellen Bedürfnissen des Benutzers programmiert werden. Sie können situationsbedingt ausgewählt werden. Ein wesentliches Leistungsmerkmal von Hörgeräten ist somit auch die Anzahl der einstellbaren Hörprogramme.

Was bedeutet AGC (Automatic Gain Control)?

Regelschaltungen sind derzeit die wichtigsten Funktionsschaltungen für eine komplexe Signalverarbeitung im Hörgerät. Bei der AGCo wird die Regelspannung dem Ausgang (Output) entnommen. Bei der AGCi wird die Regelspannung dem Eingang (Input) entnommen. Im Gegensatz zur AGCo wird der Ausgangsschalldruck oberhalb der Regelschwelle immer im gleichen Maße wie die Verstärkungsänderung verschoben. Eine Begrenzung des Ausgangsschalldruckpegels findet nicht statt. Hörgeräte mit einer automatischen Verstärkungsregelung haben kein Poti (Volume Control = VC) mehr und sollen es auch nicht haben. Die Verstärkung wird dem jeweiligen Eingangspegel automatisch angepasst.

Schon mal vorweg: Dieser Begriff ist wieder im Kommen (Automatic Volume Control). In den 50er bis 70er Jahren wurde er anstelle des Begriffes „AGCo“ verwendet. Das Volume Control ist aber das gute alte Poti. Deshalb wird dieser Begriff anstelle des Begriffes „Automatisches Hörgerät“ verwendet. Sogenannte „Automatische Hörgeräte“ haben – wie bekannt – kein Poti, es wird durch die Automatik ersetzt. Nur, es gibt heute automatische Störschallunterdrückungen und weitere Automatiken. Somit wird dieser Begriff „automatisch“ unscharf.

Wofür benötige ich einen Audioeingang?

Derzeit ist ein Audioeingang technisch nur bei HdO-Geräten möglich. Mit einem „Audioschuh“ (der an das Hörgerät gekoppelt wird) und einem entsprechenden Kabel können Sie damit eine Funk- oder Infrarotanlage nutzen, z.B. beim Fernsehen, bei Gruppengesprächen, Vorträgen und Veranstaltungen oder besonders praktisch bei Reise-Führungen, wo Sie oder der Sprecher ständig den Platz wechseln. Damit können auch Direktanschlüsse zu Mobiltelefonen hergestellt werden.

Achten Sie beim Hörgerätekauf zumindest auf das grundsätzliche Vorhandensein eines solchen Audioeinganges, mit dem lediglich geringe Mehrkosten verbunden sind. Die „Audioschuhe“ können später bei tatsächlicher Nutzung einer Funk- oder Infrarotanlage nachgekauft werden.

Was ist Bluetooth?

Bei Bluetooth handelt es sich um eine neuartige kabellose Technologie zur Funkübertragung an Hörgeräte. Es ermöglicht durch drahtlose Anbindungsmöglichkeiten die Steuerung der Hörgeräte sowie einfachen Zugang zu modernen Kommunikations- und Unterhaltungstechnologien in Stereoqualität. Bei Verwendung von Bluetooth können Gespräche in lauter Umgebung geführt werden und das Richtungshören wird erleichtert. Weiterhin wird das Telefonieren mit einem Handy möglich, ohne Verzerrungen und Störungen oder Kabelsalat in Kauf nehmen zu müssen. Bluetooth finden wir heute in vielen neuen Hörgeräten. Sie ermöglichen über einen Streamer verschiedene Verwendungsmöglichkeiten wie die Verbindung zu Fernsehen und  Rundfunk über ein Zusatzgerät, Telefon, Laptop oder die Nutzung eines externen Mikrofons. Das Signal ist dann auf beiden Ohren zu hören.

Warum ist eine Induktionsspule (T-Spule) im Hörgerät so wichtig?

Bei einer Vielzahl von Hörgeräten ist die T-Spule vorhanden oder ist optional über den Streamer nutzbar.

Beim Kauf von Hörgeräten ist dringend im eigenen Interesse auf das Vorhandensein einer serienmäßigen, leistungsfähigen und ggf. vom Hörgeräteakustiker aktivierten und richtig eingestellten T-Spule zu achten. Warum ist die T-Spule so wichtig? Sie leistet einen wichtigen Beitrag beim Abbau öffentlicher Kommunikationsbarrieren. Sie ermöglicht die Nutzung von Induktionsanlagen, z.B. in Schulen, Kirchen, Vortragssälen, Theatern, Verkaufs- oder Informationsständen. Ebenso können die induktiv nutzbaren Empfänger von FM- und Infrarotanlagen verwendet werden. Auch das Telefonieren wird erleichtert, was die berufliche Integration in sehr erheblichem Maße fördert. Die schulische und berufliche Ausbildung ist mit Hörgeräten ohne T-Spule undenkbar. Nicht zuletzt trägt gutes Verstehen von Rundfunk und Fernsehen dazu bei, dass das Informationsrecht genutzt werden kann. Besitzer von Hörgeräten ohne T-Spule werden von der öffentlichen Hilfestellung ausgeschlossen. Diese Hörgeräte tragen zur öffentlichen Isolation ihrer Träger bei. Sie laufen den Interessen der betroffenen schwerhörigen Menschen zuwider.

Durch einfaches Umschalten der Hörgeräte auf „T“ (= IndukTion) kann besser und ohne störenden Störlärm verstanden werden. Bei Verwendung von induktiven Halsschleifen beim Telefonieren kann mit beiden Ohren telefoniert werden, was eine entspannte Kommunikation zulässt.

Die meisten Hörgeräteakustikergeschäfte sind mit einer solchen Induktionsanlage für Testzwecke ausgestattet. Probieren Sie es unbedingt aus!